Alle stöhnen laut auf. Da war sie wieder. Frau Müller (Name redaktionell geändert 😁) hatte ihren alljährlichen Auftritt auf dem Adventsbazar: „Lasst uns zusammen singen, weil es so schön ist, gemeinsam die Stimme ertönen zu lassen…“, sie machte eine kurze Pause und lächelte dabei ins Publikum: „…es ist doch schliesslich Weihnachten!!“
Ich konnte mich grade noch schnell genug mit einem dahingebrabbelten „Sorry, ich muss leider ganz dringend aufs Klo!“ am Aufsichtslehrer vorbeidrängeln und durch die Tür, die er grade zuziehen wollte, raus in den Gang flüchten.
Uffffff.
Ich hatte es geschaffffft.
Ich war drumrumgekommen und musste dieses Jahr nicht mitsingen.
So oder so ähnlich geht es Millionen von Menschen auf der ganzen Welt - nicht nur zur Weihnachtszeit: Wenn sie das Wort „Singen“ hören, ergreifen sie schnell die Flucht und immer wieder ist es der eine Satz, der dann alles zusammenfassend erklärt: „Ich kann nicht singen!“
„If you can walk – you can dance, if you can talk – you can sing“
heisst es in einem Sprichwort aus Zimbabwe:
„Wenn du laufen kannst, kannst Du auch tanzen.
Wenn du reden kannst, kannst du auch singen.“
Schön einfach.
Doch wir verbinden heutzutage singen sehr schnell mit Perfektion und Ruhm, mit ausgebildeter Technik, Leistungsdruck und Rampenlicht, so dass der eigentliche Genuss des Singens in Vergessenheit gerät, den Yehudi Menuhin einmal sehr treffend zusammengefasst hat:
„Wir Menschen sind im Singen schöpfende und schöpferische Klangwesen.
Wir vermögen durch Gesang unsere Welt und unser Handeln zu beseelen, singend Liebe, Freude, Hoffnung, Zuversicht zu schenken, uns aber auch den Schmerz von der Seele zu singen…“
Aber was macht Singen so besonders? Was genau macht den Unterschied zwischen Sprechen und Singen aus? Hierbei soll es nicht um den Unterschied in der Physiologie oder im Klang gehen, sondern nur um den Unterschied in der Wirkung:
Dafür erinnern wir uns kurz mal an unseren letzten Musical- oder Opernbesuch, an unseren letzten Konzertbesuch oder das letzte Fussballspiel, bei dem wir von der Tribü(h)ne aus lautstark mitgespielt haben ;-))…
Wie sehr haben uns dort die Gesänge berührt, durchgeschüttelt und uns nicht selten in Mark und Bein getroffen und wie lange haben wir davon im Nachhinein noch gezehrt… - und das ganz besonders wenn wir selber mitgesungen haben.
So unvereinbar diese „Gesangs-Genres“ im Ohr auch erscheinen mögen, sie haben alle die gleiche Wirkung auf uns: Sie erwischen uns direkt und ungehemmt in unserer Gefühlswelt, wir sind unmittelbar ergriffen und sie geben uns den Raum, unsere Emotionen (endlich mal ;-)) wieder zu fühlen und ihnen vor allem mal wieder freien Lauf zu lassen.
Und wie ging es uns danach?
Wie durchgewaschen, als hätten wir eine Katharsis durchgemacht, aus der wir als anderer Mensch hervorgehen. Viele Dinge sind klarer, die uns vorher wie verworren vorkamen.
Und was ist das für ein Gefühl, wenn wir zusammen singen!
Das immense und äusserst intensive Gemeinschaftsgefühl, das dabei entsteht, mit Allen, die parallel das gleiche erleben.
Dieses kraftvolle Gefühl, was jegliche zwischenmenschliche Grenzen einfach einreisst und eine sofortige Zusammengehörigkeit entstehen lässt - völlig egal wie unterschiedlich die Menschen im Stadion, in der Oper, beim Musical sind.
Hier feiert die Verschiedenheit die Gemeinsamkeit - das ist gelebter Frieden!!
Der Unterschied zwischen Singen und Sprechen liegt demnach in der prompten Auswirkung, die Singen auf uns und unsere Gefühle hat. Beim Sprechen behält unser Verstand oftmals die Kontrolle und zensiert bestimmte Gefühle im Ausdruck „weg“ - Singen hingegen hebelt diese Schlaufe in den Verstand aus, unsere Sinne und Gefühle können nicht so leicht weg“rationalisiert“ werden. Unser Ausdruck ist unmittelbarer, ungefilterter und dadurch authentischer - was auch die Erklärung dafür ist, warum so viele Menschen meinen nicht singen zu können:
Auf der Stimme sitzt Angst. Eine Angst vor sich selber oder vor den eigenen Gefühlen. Die schneidet uns völlig ab von dem natürlichen, physiologischen Ablauf der Stimmbildung - und prompt kommt die Stimme schief, kümmerlich, krumm.
Ich habe es schon so oft erleben dürfen, dass Menschen, die keinen Ton halten können, in einem liebevollen und sicheren Raum sich dieser Angst stellen, ihre wahre Stimme in sich entdecken und das Vertrauen in sich und ihre Stimme wiederfinden. Dieses Vertrauen wird dann zu Zutrauen, was wiederum eine immer klarere innere Positionierung mit sich selbst bringt - Du kommst in Einklang mit Dir selbst… und plötzlich singst Du „einfach“ ;-)
Denn - Singen ist eigentlich ein Lebensgefühl.
Ja - ein Lebensgefühl, zu dem Du Dich jederzeit entscheiden kannst -
und das völlig losgelöst davon, ob Du nun denkst, Du kannst singen oder nicht …
Es ist das Lebensgefühl, direkt und ohne Umschweife mit Dir verbunden zu sein, das Lebensgefühl, für Dich selber, für Deine eigenen Gefühle, Deine Verletzlichkeit, Deine Wut, Deine Liebesfähigkeit usw. einzustehen. Deine eigenen Emotionen anzunehmen und zu lieben!
Um sich selbst tiefer zu (er)leben, hilft eine bestimmte Form des Singens ganz besonders: das intuitive Singen.
Hier bekommt Deine Stimme völlig freien Lauf - sie darf einzig und allein entscheiden was gesungen wird, die Töne entstehen unmittelbar im Moment und finden ihren prompten Ausdruck. Es darf das raus, was jetzt gerade kommen will, manchmal sind es Melodien, manchmal Töne, manchmal eher Klänge - eine ungemein befreiende Erfahrung für Laien- und ProfisängerInnen.
Erstmalig biete ich im neuen Jahr Kurse für Intuitives Singen an! Melde Dich zu unserem Newsletter an, um darüber die neusten Infos zu erhalten.
Neulich erzählte mir meine Tante, dass sie früher nach gemeinsamen Dinner-Parties nochmal ein oder zwei Liedchen gesungen haben - das war zum Abschied nochmal für alle ein Beseelungs-Schlagsahnehäubchen oben drauf ;-))
Solche wundervollen Rituale verkümmern ja heute leider immer mehr - deshalb möchte ich Euch an dieser Stelle zu meinem wöchentlichen Singen einladen und Euch ganz besonders unsere drei Advents-Sing-Termine ans Herz legen:
03. Dezember
10. Dezember
17. Dezember
…Für Frau Müller halte ich gerne einen besonderen Platz frei … ♥️😊
Apropos Frau Müller … jetzt stellt Euch doch nur mal vor, wenn diese Millionen Menschen, die alle auf der Flucht vor Frau Müller, ähh, vor dem Singen :-) sind, sich alle plötzlich begegnen, ihre Stimme „no matter what“ erheben und gemeinsam „The Wall“ von Pink Floyd sängen - was ein imposanter Gesang wäre das!! Er hätte eine solche Kraft, da würde kein Auge trocken bleiben, denn:
Die Augen sind nicht nur zum Sehen, sind auch zum Singen eingericht' -
wie sollte man es denn sonst verstehen, dass man von AugenLIEDERN spricht?
Gut, ein klein wenig holprig, die Überleitung, aber dieses wunderbare Zitat von Heinz Ehrhardt musste noch mit in unseren heutigen Blog ;-))
Also, wenn Singen eigentlich ein Lebensgefühl ist und nicht das Treffen von richtigen Tönen, dann ist die Antwort:
Also kommt und singt mit uns!
Erzählt uns gerne hier, auf INSTA oder FB von eurem dööfsten (oder schönsten) Gesangserlebnis :-)).
Und wenn Du immer noch oder vielleicht jetzt gerade das Gefühl bekommen hast, Deine Stimme doch/noch ein wenig mehr befreien zu wollen, „stimmig“ mit Dir selber werden zu wollen, dann melde dich gerne bei mir für ein kostenloses Erstgespräch.
Ich freu mich drauf,
Leela vom Para-Team
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